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Eine Gruppe Achtklässlerinnen der Integrierten Gesamtschule Trier (IGS) hat sich im Rahmen eines kostenlosen Johanniter-Schulprogramms mit lebensechten Babysimulatoren als Teenie-Mamas ausprobiert. Ein herausfordernder Selbstversuch mit Tränen, Schweiß und viel Geschrei.
„Ich habe die Nacht nicht geschlafen. Wenn es endlich ruhig wurde, hatte ich Angst, dass sie gleich wieder aufwacht und brüllt“: Xenia Rönz ist 15 und am Tag zuvor „Mutter“ eines kleinen Mädchens geworden. Mit skeptischem Blick schaut sie auf ihre kleine „Tochter“ vor sich, spricht leise. Es ist Schulprojektwoche, bei Bruthitze um die 40 Grad. Zusammen mit einer Handvoll Altersgenossinnen hat Xenia sich, während ihre Klassenkameraden werkeln oder kochen, auf das Experiment „Teenager-Mutterschaft“ mit realitätsnahen Baby-Simulatoren und Mamacoaching durch Pädagogen der Johanniter eingelassen: „ Ich finde spannend zu testen, wie ich mit Baby bin. Schließlich wünsche ich mir später Kinder. Aber es ist echt Arbeit“.
Noch herrscht Ruhe: Alle „Babys“ liegen im Kreis vor ihren jungen „Mamas“, frisch gewickelt und friedlich wie aus dem Bilderbuch. Per Erkennungschip am Handgelenk sind die Mädchen mit ihren „Kleinen“ verbunden. Nur auf die jeweilige Teenie-Mutter reagieren die Simulatoren, die aussehen und sich verhalten wie drei Monate alte Säuglinge. Nur sie kann das gleich aufkommende Geschrei stillen – oder verschlimmern. Die rosarote Brille im Blick auf eine frühe Mutterschaft hat sich nach 24 Stunden in der Gruppe schon deutlich eingetrübt: „Ich habe es mir viel einfacher vorgestellt“, sagt die 13-jährige Lucie Koch aus müden Augen. Immerhin kann sie noch lachen. Ein anderes Mädchen hat schon an diesem Morgen unter Tränen auf- und ihren Säugling abgegeben.
„Kein Teenager kennt normalerweise die Verantwortung und den Schlafmangel, den ein Baby unweigerlich mit sich bringt“, sagt Psychologin Simone Hauck von den Johannitern, die die Gruppe zusammen mit Sozialpädagogin Cornelia Neisius leitet. Dabei seien die Simulatoren human eingestellt: Keine Schreibabys, keine schlimmen Koliken, nur ein ganz normaler Baby-Elternalltag. „Hier prallen jugendliche Vorstellungen von Elternschaft und die Wirklichkeit aus Füttern, Wiegen und Windeln wechseln aufeinander“, sagt Hauck. Jedes Jahr würden in Deutschland zwischen 12.000 und 15.000 minderjährige Mädchen schwanger. „Sehnsucht nach einer heilen Familie, den Freund halten, einen süßen kleinen
Menschen haben, der einen liebt… Es gibt viele bewusste und unbewusste Wünsche, die zu früher Elternschaft führen können, nur wenige erfüllen sich “, weiß die Psychologin. Beim Johanniter-Programm „Babybedenkzeit“ geht es daher darum, wirklich erlebbar zu machen, wie ein Baby das eigene Leben verändert. Daneben stehen Lerneinheiten auf dem Programm, so etwa zu den Folgen von Alkohol, Zigaretten und Drogen in der Schwangerschaft, Schütteltraumata, Hilfsangeboten und viel angeleitete Selbstreflexion.
Treibende Kraft, die Babybedenkzeit während der Schulprojektwoche an die IGS zu bringen, war Schulsozialarbeiterin Stephanie Schlegel, die auf einer Fachtagung des Trierer Jugendamts Feuer für das Johanniter-Schulprogramm fing: „Für die Mädchen ist das eine besondere Chance, eine extrem intensive Lernerfahrung, die durch die brütenden Hitze noch verschärft wurde“. Umso stolzer ist die Schulsozialarbeiterin auf die 13 bis 15-Jährigen, die am Ende die ganze Projektwoche durchgehalten haben, statt im Schwimmbad zu toben: „Bei ihrer Abschlusspräsentation wurde wirklich deutlich, wie viel Selbsterkenntnis die Teilnehmerinnen aus den Tagen mit „Baby“ gezogen haben und das Publikum war sehr beeindruckt von dem besonderen Projekt“, resümiert sie.
Durch Förderer wie die Glücksspirale, die AOK, IKK-Südwest, Reh- und Rehkids- sowie Leyendecker-Stiftung kann das drei- bis fünftägige Lernprogramm in Trier und dem Kreis Trier-Saarburg kostenfrei angeboten werden. Dafür hat sich auch Koordinatorin Elke Burchert vom Trierer Stadtjugendamt stark gemacht: „Im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes gibt es immer wieder Fälle von sehr jungen Frauen und minderjährigen Mädchen, die schwanger werden und entgegen ihrer eigenen Erwartungen in der Folge ohne professionelle Hilfe nicht zurechtkommen. Babybedenkzeit soll nicht vor dem Elternwerden abschrecken. Aber es soll den Teenies deutlich machen, welch lebensverändernde Entscheidung es ist – die mit Verzicht verbunden ist und Verantwortungsgefühl abverlangt.“
Kontakt für interessierte Schulen und Jugendeinrichtungen: simone.hauck@johanniter.de/ Tel. 0172-3246674. Info: johanniter.de/babypraktikum-trier